WISSENSWERTES, TIPPS & TRICKS

Bodyscan & Damasios Hochsitz-Metapher

Dumm gelaufen:

Ob’s der griesgrämige Kollege war oder die fordernde Freundin, der überarbeitete Mann oder die pubertierende Tochter – irgendjemand hat dir im Gespräch etwas richtig Doofes an den Kopf geworfen und du bist entsprechend … ja was bist du denn?

Bist du jetzt wütend? Gekränkt? Angepisst? Oder bist Du eher der Typ, der mit kühler Abweisung reagiert – etwa auf die gleiche Art enttäuscht, wie eine Lehrerin von dem Drittklässler, der immer noch nicht gerafft hat, dass „3 + 3“ und „3 mal 3“ nicht das gleiche ergeben?

Gefühle lösen im Körper was aus

Egal, wie du dich fühlst, eins bleibt gleich: Dein Körper fühlt mit (siehe hierzu auch Embodiment). Das stimmt doch, oder? Wenn du wütend wirst, merkst du kurz darauf eine entsprechende Veränderung in deiner Körperhaltung, gegebenenfalls auch in Mimik und Gestik.

Je nach Gefühl ändert sich also dein Ausdruck – so können andere dann auch verstehen, was du fühlst. Sie können es ja schließlich sehen, wenn sie dich angucken.

Doppelt falsch

Wer sich etwas mit Embodiment auskennt, hat hier jetzt 2 gravierende Fehler entdeckt:

1. Eine falsche Reihenfolge

2. Eine Überschätzung unserer Sehkraft

Sehen und Nachmachen

Wir rollen das mal vom Ende auf: Menschen verstehen nicht, wie du dich fühlst, weil sie es in deinem Gesicht sehen können, sondern erst dann, wenn das Sehen in ihren Gehirnen eine Spiegelung (mirroring) deiner Körperzustände auslöst.

Das hat man anhand Untersuchungen mit Botox-Nutzern erkannt, die die Gefühle anderer weniger gut einschätzen können, weil ihre eigenen Gesichter die Mimik ihrer Gesprächspartner nicht mehr so gut spiegeln können (schließlich legt Botox die Gesichtsmuskulatur lahm).

Aber das ist ein Exkurs. Mehr dazu hier.
Und nun zu Fehlannahme #1!

Die falsche Reihenfolge

In seinem Buch Descartes‘ Error beschreibt Antonio Damasio den Zusammenhang von Körperzuständen (Puls, Atmung, Muskelspannung, Mimik, Haltung) und unseren Emotionen (z.B. Freude, Angst, Wut, Ekel, Trauer) mit einer Metapher.

Und wie wir gleich sehen werden, sagt uns diese Metapher (und die Wissenschaft), dass die vermeintliche Kausalität „Gefühle erzeugen Körperzustände“ genau falsch rum gedacht ist.

Damasios Hochsitz-Metapher

Spezielle Areale deines anterioren insularen und somatosensorischen Cortex blicken wie von einem Hochsitz auf deine innere „Körperlandschaft“ (wie geht’s deiner Lunge, deinem Herz, deiner Skelettmuskulatur?) und sehen, was da passiert.

Dieses sich sekundenschnell aktualisierende Bild deiner Körperzustände wird dann von anderen Gehirnarealen in das übersetzt, was du als „Gefühle“ wahrnimmst.

Wichtig an diesem Modell ist, dass es unserer kulturellen Prägung und unserer subjektiven Alltags-Erfahrung widerspricht: Erst entstehen die Körperzustände, dann die Emotionen.

Das Körper-Problem

Wenn also z.B. bei Ritas Enttäuschung der Verursacher eines scharfen, bissigen Kommentars eigentlich gar nicht ihre Emotion ist, sondern ihr Körperzustand, dann sollten wir uns den mal genauer anschauen.

Z.B. verengen sich bei Adrenalinausschüttungen die Blutgefäße, der Puls erhöht sich, die Atmung wird flach, die Skelettmuskulatur spannt. Rita hat also vor allem ein körperliches Problem, und wenn sie das lösen kann, werden auch ihre Gespräche mit Chris angenehmer.

Die Lösung

Also, unter Stress, was tun? Erstmal nicht auf die Emotion (das Symptom), sondern auf all diese körperlichen Merkmale (die Ursachen) reagieren. Warum? Weil es die schnellere, wirksamere Lösung ist.

Das ist kein Allheilmittel, aber als kurzfristige Lösung in einer akuten Situation viel hilfreicher als die verzwackt schwierige Frage: „Warum fühle ich mich gerade so, wie ich mich fühle?“

Bodyscan

Das Prinzip des Bodyscans ist relativ simpel: Du lernst, dich in tückischen Gesprächssituationen auf körperliche Merkmale zu konzentrieren. Verspannt sich dein Nacken? Schießt dein Kinn nach vorne? Was machen deine Stirn und deine Augenbrauen? Deine Hände, deine körperliche Zu- oder Abgewandheit?

Körperliche Reaktionen sind – wie unsere Gefühle – sehr individuell. Es gibt also keine Vorschriften, sondern es geht ums selber-Machen. In diesem Fall passt das Motto: Probieren geht über Studieren.

In praktischen Übungen kann man das sehr gut ausprobieren und spielerisch erleben – und dann beheben.

Starke Gefühle, die unsere Gespräche behindern, die unsere Fähigkeit, im eigenen Sinne zielführend (oder gar strategisch) zu denken und zu handeln, lassen sich durch körperliche Entspannung der Faktoren, die die Gefühle so stark machen, abmildern.

Das befähigt uns, auch in schwierigen Gesprächen souverän zu bleiben.

Bodyscan-Training

Falls du an einem Bodyscan-Training interessiert bist, schreib mir!
–> gross@systemicy-academy.com

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