WISSENSWERTES, TIPPS & TRICKS

Spieglein, Spieglein an der Wand, macht mich Schönheit …

… hirnverbrannt?

Warum fällt es Botox-Nutzern schwer, aus Mimik Emotionen abzulesen? Eigentlich merkwürdig. Was hat das Spritzen des Gifts Botulinumtoxin, um durch Teillähmung der Gesichtsmuskulatur Faltenbildung vorzubeugen, mit der Gefühlswelt anderer zu tun?

Augenscheinlich erstmal gar nichts. Außer, dass sich manche Botox-Nutzer dann schöner fühlen und das vielleicht auch gesagt bekommen – das löst ja auch Gefühle aus, aber eben nur bei einem selbst.

Mehrere Pfade gleichzeitig

Stell dir vor, du bist an einen Gehirnscanner angeschlossen. Ich hebe meinen Arm und du siehst es. Sofort feuern Neuronen in deiner Netzhaut, den Sehnerv entlang, und in den visuellen Cortex. But wait, there’s more!

Die Informationen schießen auch noch einen ganz anderen Pfad entlang in deinen prämotorischen Cortex, in dem dein Gehirn meine Armbewegung nachgestaltet. (Du hebst deinen Arm nicht an; das passiert nur, wenn es im motorischen Cortex feuert – wir sind aber erst im prämotorischen.)

Pfade beim Lächeln

Und wenn ich jetzt lächle, passiert das auch, und wenn Menschen sich mögen, dann findet das gegenseitige Nachmachen der Bewegungen auch muskulär statt, also real-körperlich: Menschen lächeln sich gegenseitig an. (Jetzt feuert auch der motorische Cortex mit.)

Und die Forschung zeigt: So verstehen wir die Gefühle anderer. Nicht nur über die visuelle Wahrnehmung, sondern auch übers Nachmachen oder Mitmachen. (Dazu gibt’s spannende Untersuchungen über die Funktion von Spiegelneuronen – mehr dazu hier.)  

Lächeln ohne Augen

Das Problem für Botox-User ist dabei: Mit so ’nem teil-paralysierten Gesicht funktioniert dieser Kreislauf nicht wirklich gut, denn das Nach- und Mitmachen wird lähmungsbedingt vernachlässigt.

Das wahrhaft Traurige daran: Nach einiger Zeit schwindet die Präzision der Einschätzung: „Was bedeutet die Mimik meines Gegenübers hier gerade?“

Warum? Weil das Gehirn die Gefühle anderer eben nicht nur sehen, sondern auch körperlich spüren/ nachempfinden muss, um sie zu verstehen!

Was nimmst Du mit?

Die Message – könnte man jetzt denken – ist: Bloß kein Botox spritzen! Weit gefehlt. (Das ist ein mögliches Fazit, aber nicht das wichtigste.)

Die Message ist: Wir verstehen Gefühle nicht nur visuell, sondern hauptsächlich durchs neurophysiologische Nachstellen von Körperzuständen (wenn auch manchmal nur im prämotorischen Cortex), was übrigens auch zu Damasios Hochsitz-Metapher passt.

Und wenn man das weiterdenkt, entstehen, ummm …

Intersubjektive Feedback-Loops

Oh, jetzt wird’s aber hart. Hört sich sehr nach Neuro-Jargon an … aber nicht so schlimm. Ich halt’s kurz.

Zwischen Gesprächspartnern entstehen beim gegenseitigen Nachstellen von Körperzuständen unbewusst-automatisierte Gefühlskreisläufe, die einander im Millisekunden-Takt immer wieder befeuern und über emotionale Signale die Qualität unserer Gespräche steuern.

Das kann gut laufen und die Konzentration fördern oder gar eine gemeinsame Begeisterung hervorrufen, es kann aber auch knallhart in die Hose gehen. Siehe z.B. politische Streitgespräche auf Demos.

Manche Wissenschaftler schreiben sogar, dadurch entstehe ein selbst-organisierendes, emergentes System. Anders gesagt: ein Gespräch sei wie ein übergeordneter Organismus, etwas quasi-Lebendiges mit einer ganz eigenen Dynamik, die keiner der Gesprächspartner voll und ganz in der Hand hat.

Okay, freaky – aber wenn das die neusten Erkenntnisse sind, was tun?!
Das kannst Du hier nachlesen bzw -hören.

Weitere Beiträge

Dignity Neuroscience: Menschenrechte und das Gehirn

Dignity Neuroscience: Menschenrechte und das Gehirn

Sport ist körperlich und Gespräche sind’s auch. Zu oft scheitern Gespräche, weil wir den Nährboden ignorieren, aus dem unsere Gespräche wachsen: das Gehirn. Dabei kann uns die Hirnforschung so viel Praktisches …

3 Gründe: Warum gute Gespräche wie Sport sind

3 Gründe: Warum gute Gespräche wie Sport sind

Sport ist körperlich und Gespräche sind’s auch. Zu oft scheitern Gespräche, weil wir den Nährboden ignorieren, aus dem unsere Gespräche wachsen: das Gehirn. Dabei kann uns die Hirnforschung so viel Praktisches …

Sag, was Du willst

Missverstanden: Wie oft hattest Du schon das Gefühl, du wurdest falsch verstanden? Oder: Deine Wünsche wurden nicht...