WISSENSWERTES, TIPPS & TRICKS

Rita, die Künstlerin

Leidenschaft:

Rita ist Künstlerin. Genau genommen arbeitet sie auch Vollzeit in einem Büro für Stadtplanung, aber wenn sie Zeit hat – und heute hat sie sich einen freien Tag genommen – dann malt sie.

Malen ist ihre Leidenschaft. Ihre Hände fliegen nur so über die Leinwand und sie weiß am Ende des Tages: Sie hat ein Meisterwerk geschaffen.

Na Danke

Dann kommt ihr Mann Chris nachhause, und sie kann es gar nicht erwarten, ihm das Bild zu zeigen. Sein Kommentar:

„Naja, hab ick denen ja schon imma jesagt, datt man die Amateure nich‘ unterschätzen soll, wa?“

Na schönen Dank auch! Also antwortet Rita, ganz unverblümt … nee, das sag ich Dir noch nicht. Erst bist Du dran.

Enttäuschung

Rita ist enttäuscht. Sie hatte sich Chris‘ Begeisterung für ihr Kunstwerk anders vorgestellt. Ich meine: Was würdest Du dem Typen denn jetzt erwidern?

Übrigens hängt die Couleur Deiner Antwort davon ab, in welchen Zustand die Enttäuschung Dein Gehirn versetzt. Ja, genau, man weiß unterdessen, wie Enttäuschung neurophysiologisch „funktioniert“ (siehe Link).

Das enttäuschte Gehirn

Kurzversion für uns hier: je abhängiger wir uns von unseren Erwartungen machen, desto härter trifft uns ihre Enttäuschung. Dabei heiß „abhängig“ zweierlei:

1. Festgefahrene Erwartungen machen abhängiger als flexible.

2. Je stärker die Gefühle, mit denen unsere Erwartungen verbunden sind, desto abhängiger ist gute Laune von ihrer Erfüllung.

Ritas enttäuschtes Gehirn

Doch zurück zu Rita. Nehmen wir mal an, dass ihre Hoffnung auf Chris‘ begeistertes Lob relativ fest im Sattel sitzt.

Das ist keine „Naja, wäre vielleicht schön, wenn“-Erwartung, sondern ein klares „Er liebt mich, er wird Freudensprünge machen.“

Und nachdem sie sich leidenschaftlich an der Leinwand verausgabt hat, ist Ritas Erwartung auch stark mit intensiven Gefühlen verbunden. Und dann wird sie enttäuscht.

Ritas Reaktion

Ritas Reaktion fällt – entsprechend der Abhängigkeit gegenüber ihrer Erwartung – etwas schroff aus. Sie wird pampig.

„Amateure?!? Pff! Du kannst mich mal kreuzweise.“

Chris ist seinerseits völlig baff. Er hatte sie doch gerade gelobt. Aus vollem Herzen.

Was ist ein Lob?

„Naja, hab ick denen ja schon imma jesagt, datt man die Amateure nich‘ unterschätzen soll, wa?“

Chris ist eben nicht der Überschwängliche. Er ist den hartgesottenen Ton am Jugendamt gewohnt, wo er Kinder betreut und mitentscheidet, ob sie aus zerrütteten Familienverhältnissen in ein Heim überwiesen werden sollen oder nicht.

Außerdem hatte ein befreundeter Kollege Rita mal „Amateurin“ genannt – also was bedeutet Chris‘ Kommentar wirklich?

Komplexe Gefühlslagen

Zugegeben, Chris‘ Aussage kommt nicht wie ein liebes, super-begeistertes Lob rüber. Da springen noch andere Gefühle mit drin rum. (Ja, Chris kann in diesem Szenario auch noch was dazulernen …)

Aber erstmal, als Arbeitshypothese: In Chris‘ Gefühlswelt haben Rita (mit ihrem Meisterwerk) und Chris (mit seinem Kommentar) dem Kollegen eins ausgewischt; zwar in seiner Abwesenheit, aber was nicht ist kann ja noch werden.

Ein Unrecht ist wieder gut gemacht worden, eine Kränkung aufgehoben. Chris macht sich für Rita stark. Er zeigt ihr, dass er auf ihrer Seite ist – er hat sie ja schließlich lieb. Aber Rita hört nur „Amateure“.

3A-Kurzschluss

In meinem Buch erkläre ich eine Kaskade, die ich 3A-Kurzschluss nenne. Kurzform: Enttäuschung sorgt über Aktivierung des ACC und der Amygdala für Adrenalin-Ausschüttungen und dafür, dass der PFC (präfrontale Cortex) runtergefahren wird.

Konsequenz: Wir werden ungeduldig und misstrauisch. Unsere Gesprächsbeiträge werden reflexartig; Besonnenheit hat sich kopfüber aus dem 5.OG gestürzt. Schade eigentlich.

Weitere Infos zum 3A-Kurzschluss findest Du hier: 3A-Kurzschluss

Womit ist Rita und Chris am besten geholfen?

Wir wissen also: Das Zusammenspiel zwischen Ritas Erwartung und ihrer Enttäuschung ist die große Stellschraube, an der sie drehen kann, um gegen die Wand gefahrene Gespräche zur seltenen Ausnahme zu machen.

Die Schraube, an der wir alle drehen können. Und das geht, in zwei Schritten, so:

1. BODYSCAN

2. SAG, WAS DU WILLST

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